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Erste Euro-Silbermünzen mit länderübergreifender Rückseite

Der Star unter den Europa-Sammlungen

Erstmals geben Euro-Länder Edelmetall-Gedenkmünzen heraus, die eine gemeinschaftliche Rückseite aufweisen. Das „Europa Star“-Programm setzt die 2004 eingeführte Europa-Serie mit dem Stern-Münzzeichen fort.

Nach zwölf Jahrgängen erfährt das erfolgreiche Europa-Gedenkmünzenprogramm mit dem länderübergreifenden Stern-Münzzeichen eine weitere Aufwertung. Nicht länger nur ein kleines Prägezeichen soll künftig die Zusammengehörigkeit der innerhalb der Serie ausgegebenen Stücke gestalterisch dokumentieren, sondern eine komplette gemeinschaftliche Rückseite. Das hat es in Europa so bei Edelmetall-Gedenkmünzen noch nicht gegeben.

„Europa komplett“ zu sammeln, ist heute wie vor der Einführung der Gemeinschaftswährung wegen der Vielzahl der Ausgaben und der oft sehr geringen Auflagen praktisch nicht möglich. Wer dennoch eine länderübergreifende Euro-Münzensammlung aufbauen will, greift deshalb gerne zu den Europa-Ausgaben, die über ein gemeinsames Erkennungszeichen verfügen: einen fünfzackigen Stern, der grafisch mit dem Euro-Währungszeichen „€“ verbunden ist. Jedes Jahr gibt es von verschiedenen Ausgabeländern solche Gedenkmünzen, die jeweils unter einem gemeinschaftlichen Thema stehen (2015: „70 Jahre Frieden in Europa“). So hat man das gute Gefühl, auf einem bestimmten, klar definierten Gebiet komplett zu sein, wenn man diese überschaubare Anzahl von Edelmetall-Münzen zusammengetragen hat.

Da das Münzregal (das Recht, eigene Münzen herauszugeben) auch in Euro-Zeiten bei den beteiligten Nationalstaaten liegt, war es jedoch immer etwas schwer, thematisch einen gemeinsamen Nenner zu finden. So waren die Ausgabeanlässe oft so weit gefasst, dass – außer dem Stern-Münzzeichen – kaum eine Übereinstimmung zu erkennen war. Auch die Grundspezifikationen wurden erst in den letzten Jahren genauer festgelegt.

Damit eine eigentlich gute Idee nicht irgendwann ganz scheitert, haben sich auf Initiative Frankreichs jetzt die Münzdirektoren und Staatsbanken von zunächst sieben Euro-Mitgliedsländern zusammengetan und die Sammlung auf ein neues, stabiles Fundament gestellt.   Feierlich präsentiert wurde das neue „Europa Star“-Programm anlässlich der World Money Fair Anfang Februar in der französischen Botschaft in Berlin.

Anders als bei den 2-Euro-Gedenkmünzen, bei denen die Wertseite unveränderlich ist, zeigt die Gemeinschafts-Rückseite des „Europa Star“-Programms auch nationale Elemente – ganz nach der Maxime „Einheit in Vielfalt“. Gestalterisch besteht sie aus einem inneren Kreis mit einem europäischen oder nationalen Symbol, um den konzentrisch zwei Ringe liegen, deren Inschriften Ausgabeland und Thema benennen – alternativ kann das Thema aber auch auf der Bildseite stehen. Mittig unten ist unübersehbar das bekannte Gemeinschafts-Münzzeichen abgebildet, dessen unregelmäßiger, fünfstrahliger Stern sich formatfüllend im Hintergrund des Motivs wiederholt. Die Jahreszahl sowie teilweise Künstler- und Prägestättenlogos sind ebenfalls auf der Gemeinschaftsseite zu finden.

Gemeinschafts-Rückseite und einheitliche Spezifikationen

Die technischen Spezifikationen, auf die sich die beteiligten Münzdirektoren geeinigt haben, garantieren eine sehr hochwertige Sammlung: Die zur Kollektion gehörenden Silbermünzen sollen mindestens einen Feingehalt von 900 Tausendstel aufweisen, in der höchsten Prägequalität „Proof“ (zu Deutsch: „Spiegelglanz“ oder „Polierte Platte“) gefertigt sein und von der Größe her der internationalen „Crown Size“ klassischer Großsilbermünzen entsprechen, also einen Durchmesser zwischen 30 und 40 Millimeter haben. Den Teilnehmerländern unbenommen ist, wie in der Vergangenheit teilweise bereits praktiziert, die Münzen zusätzlich motivgleich auch in anderen, noch wertvolleren Metallen zu prägen, also etwa in Gold.
Als Durchbruch bei den Verhandlungen über die Themen kann gewertet werden, dass sich die Ausgabestaaten auf ein Fünf-Jahres-Programm geeinigt haben, das unter dem Motto „Europas Zeitalter“ steht. 2016 beginnt mit dem 20. Jahrhundert, gefolgt 2017 vom 19. Jahrhundert mit seiner Eisen- und Glas-Architektur. In den Jahren 2018 bis 2020 kommen Barock/Rokoko, Renaissance und Gotik an die Reihe.

Frankreich mit Gegenwartskunst

Die französische Erstausgabe der neuen „Europa Star“-Reihe widmet sich der Architektur und Mode des 20. Jahrhunderts. Die Bildseite wird dominiert durch das Porträt eines jungen Mannes mit (heute wieder) modischer Vollrandbrille und gelocktem Haar. Es ist – aus Anlass seines 80. Geburtstags – der berühmte, 2008 verstorbene Couturier Yves Saint Laurent. Daneben findet sich das „Piet Mondrian“-Kleid von 1966, mit dem er Modegeschichte geschrieben hat. Es ist auf der Münze in seinen knalligen Originalfarben dargestellt. Auf der linken Münzhälfte ist die Gitterkonstruktion des Centre Pompidou in Paris zu sehen, das als Architektur-Ikone des 20. Jahrhunderts gilt.
Als Symbol im Zentrum der Rückseite wurde die „Europa“-Darstellung gewählt, die seit 1999 fester Bestandteil französischer Münzen ist: der Kopf einer Frauenfigur mit wehenden Haaren, die mit Europasternen gesprenkelt sind. Ursprünglich zur Einführung der Währungsunion erschienen und mit dem Francs-Euro-Umrechnungskurs von 6,55957 versehen, zierte das Motiv seither eine Serie mit europäischen Themen. Nach Auskunft der staatlichen französischen Münzstätte soll mit dieser Europa-Serie nun Schluss sein. Sie geht auf im neuen „Europa Star“-Programm.
Die Münze erscheint als 10-Euro-Stück in teilkoloriertem 900er Silber mit 37 Millimeter Durchmesser und 22,2 Gramm Gewicht. Die Auflage beträgt 10000 Exemplare. Motivgleich (ohne Kolorierung) wird sie auch in vier Feingold-Versionen von ½ Gramm bis 5 Unzen geprägt.

Spanien ehrt Dalí, Miró und 1960er-Jahre Baukunst

Kunst und Kultur des 20. Jahrhunderts würdigt Spanien mit einem der berühmtesten Maler dieser Epoche, Salvador Dalí. Der Katalane mit seinem unverwechselbaren, noch oben gezwirbelten Schnurrbart ist einer der Hauptvertreter des Surrealismus, einer Kunstrichtung, die sich durch Traumbilder und absurde, phantastische Darstellungen auszeichnet. Daneben wird eine stilisierte Sonne des nicht minder bekannten Malers Joan Miró abgebildet, die auf der Münze originalgetreu in den Landesfarben Rot und Gelb koloriert ist. Schließlich kommt mit den „Torres Blancas“ in Madrid zeitgenössische Baukunst zu Münzehren. Diese zementgrauen und keineswegs  „weißen Türme“, ein Wohnhochhaus von Francisco Javier Saénz de Oiza aus den 1960er Jahren, gelten als herausragendes Beispiel für die Sichtbeton-Architektur jener Zeit.
Die Gemeinschafts-Rückseite aus Spanien zeigt innerhalb der Umschrift „FELIPE VI REI DE ESPAÑA“ im Mittelkreis das nach links gewandte Porträt von König Felipe VI., wie es von anderen Euro-Münzen des Landes seit der Thronbesteigung des Monarchen 2014 bekannt ist. Der äußere Ring trägt die Inschrift „EUROPA CONTEMPORÁNEA“, was so viel heißt wie „Zeitgenössisches Europa“ oder „Europa der Gegenwart“. Die 10-Euro-Sterlingsilbermünze hat eine Auflage von 7500 Stück und wiegt 27 Gramm bei einem Durchmesser von 40 Millimetern. Das gleiche Motiv wird auch als 200-Euro-Goldmünze geprägt.

Portugal: Almada Negreiros

Portugal musste sich erst gar nicht bemühen, verschiedene Kunstgattungen auszusuchen, für die das Land im 20. Jahrhundert berühmt wurde. Man nehme einfach den Universalkünstler José Sobral de Almada Negreiros (1893–1970)! Er war Maler, Schriftsteller, Tänzer, Bühnenbildner, Schauspieler und Karikaturist – um nur einige seiner Talente zu nennen. Und jetzt wurde er postum gewissermaßen auch noch zum Münzgestalter, denn das Motiv der portugiesischen „Europa Star“-Ausgabe 2016 zeigt ein Selbstbildnis Negreiros aus dem Jahr 1947. Das Thema steht ebenfalls auf der Bildseite: „O MODERNISMO PORTUGUES“ (die portugiesische Moderne). Die Rückseite mit dem Stern zeigt mittig das Staatswappen, das vom Landesnamen umkränzt wird.

Finnland: Alvar Aalto

Auch Finnlands Rückseite zeigt das nationale Staatssymbol: der gekrönte Löwe mit dem Schwert in der Hand eines geharnischten Arms. In den beiden Amtssprachen Finnisch und Schwedisch werden der Landesname und das Thema „Europäische Epochen“ genannt. Die Bildseite ist dem Architekten und Designer Alvar Aalto (1898–1976) gewidmet, einem der profiliertesten finnischen Künstler des 20. Jahrhunderts. Neben zahlreichen privaten und öffentlichen Bauten, zu denen in Deutschland auch das Opernhaus in Essen gehört, schuf er Möbel und andere Gebrauchsgegenstände. Seine wohl berühmteste Design-Ikone ist die Aalto-Vase, die auf der Weltausstellung in Paris 1937 erstmals präsentiert wurde. Die Formensprache dieser Glasvase bestimmt auch die „Gedankenblase“ über dem stilisierten Porträt des Künstlers auf der neuen Gedenkmünze des „Europa Star“-Programms.

Italien mit Ferrari am Start

Italien illustriert das 20. Jahrhundert nicht mit Werken klassischer Kunstschaffender, sondern mit einem „Künstler“ ganz anderer Art: Enzo Ferrari (1898–1988). Der erfolgreiche Rennfahrer, Konstrukteur und Gründer der nach ihm benannten Automarke trug entscheidend zum Ruf Italiens als Hersteller schneller und schöner Sportwagen bei. Die zahllosen Siege der Scuderia Ferrari, wie der wohl berühmteste Formel-1-Rennstall der Welt heißt, förderten dieses Image. Auf der Münze wird die Motorsport-Legende mit der unvermeidlichen dunklen Sonnenbrille porträtiert. Daneben ist sein Markenzeichen zu sehen, das „Cavallino rampante“, ein sich aufbäumendes Pferdchen.

Auf der Gemeinschafts-Rückseite beanspruchen die Italiener nicht nur den Mittelkreis für nationale Symbolik, sondern gleich den ganzen Stern. Neben der zentralen Abbildung des Gesichts der Landesallegorie „Italia“ mit der Mauerkrone darüber finden sich in den Strahlen die italienischen Wappenelemente Zahnrad, Eichen- und Olivenlaub. Die 10-Euro-Gedenkmüze ist aus Sterlingsilber und hat einen Durchmesser von 34 Millimetern bei einem Gewicht von 22 Gramm.

Auch Irland und Malta beteiligen sich 2016 an dem neuen „Europa-Star“-Programm. Deren Motive waren jedoch bei Redaktionsschluss noch nicht veröffentlicht.


Vollständiger Artikel im DEUTSCHEN MÜNZEN MAGAZIN Mai/Juni 2016.

Das 20. Jahrhundert wird auf der französischen Münze durch den Modeschöpfer Ives Saint Laurent und das Centre Pompidou versinnbildlicht. Unten: Spanien ehrt die Maler Salvador Dalí und Joan Miró sowie 1960er-Jahre-Architektur in Madrid. Beide Motive gibt es auch in Gold.

Portugal ehrt den Universalkünstler José Sobral de Almada Negreiros, der per Selbstporträt posthum gewissermaßen auch noch zum Münzgestalter wird. Unten: der Architekt und Designer Alvar Aalto mit seiner berühmten Vase, der die Kunst des 20. Jahrhunderts auf der Münze Finnlands verkörpert.

Italien ist bei der neuen Europa-Star-Serie mit Enzo Ferrari am Start. Der berühmte Rennfahrer, Konstrukteur und Gründer der gleichnamigen Sportwagen-Marke steht für Italien im 20. Jahrhundert.

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