Internationale Fachzeitschrift für
alte und neue Numismatik

UNESCO-Nachfolgeserie „Einigkeit und Recht und Freiheit“

„Säulen der Demokratie“ als Dreier-Serie in Gold

Die Motive des mit großer Spannung erwarteten Nachfolgeprogramms der 100-Euro-UNESCO-Serie in Gold wurden im Januar von der Bundesregierung verabschiedet. Das Thema des Dreier-Sets lautet „Säulen der Demokratie“ und besteht aus den Motiven „Einigkeit“, „Recht“ und „Freiheit“. Die Halbunzen-Goldstücke erscheinen in den Jahren 2020–2022.

Eine halbe Unze reinstes 999,9er Gold, 100 Euro Nennwert, Ausgabeland Deutschland: Die großen Gold-Euros stellen traditionell den alljährlichen Höhepunkt im hiesigen Münzausgabeprogramm dar. Durch gelungene Motive und streng limitierte Auflagen, die stets auch die Chance auf Wertsteigerung bewahren, wurden sie zur erfolgreichsten Gold-Gedenkmünzenreihe der Welt.

Praktisch alle bundesdeutschen Gold-Hunderter sind heute mehr wert als an ihrem Ausgabetag. Denn auch hier bestimmen Angebot und Nachfrage den Marktpreis. Regelmäßig werden die neuen Münzen an die Vorbesteller zugeteilt und nicht jeder darf darauf hoffen, die reservierte Menge auch zu bekommen. Am Ende entscheidet das Los. Beim letztjährigen Motiv „Dom zu Speyer“ war die Nachfrage besonders groß. Viele Interessenten, auch solche, die nur ein einziges Stück geordert hatten, bekamen eine Absage: ausverkauft!

Ein Münzprogramm, so alt wie der Euro

Von den mittlerweile drei deutschen Goldserien ist die Halbunzen-Reihe die älteste – sie erscheint ohne Unterbrechung seit der Euro-Einführung im Jahr 2002. Sie ist gleichzeitig die wertvollste mit den schwersten Münzen und den abwechslungsreichsten Motiven. Bis auf zwei Ausnahmen – Euro-Einführung 2002 und Fußball-WM 2005 – galt die Kollektion bisher thematisch den UNESCO-Welterbestätten in Deutschland. Dieses Thema wurde nun 2019 abgeschlossen. Offenbar gab es im Münzreferat des Bundesfinanzministeriums Erkenntnisse, nach denen sich die Bürger nach mehr als eineinhalb Jahrzehnten einmal neue Themen wünschten. Mit großer Spannung erwarteten die Sammler das Nachfolgeprogramm, denn eines war klar: Die Reihe der deutschen 100-Euro-Goldmünzen sollte in jedem Fall fortgesetzt werden.

Das Deutsche Münzen Magazin startete eine Umfrage unter seinen Lesern, die zur Themenfindung beitragen sollte – mit Erfolg: Einer der drei meistgewählten Vorschläge lautete „Säulen der Demokratie – Einigkeit und Recht und Freiheit“ (siehe Heft 6/2018). Und genau dieses Sujet griff der Bundesfinanzminister auf und schrieb einen entsprechenden Künstlerwettbewerb für die Dreier-Serie aus.

Mitte Januar beschloss die Bundesregierung dann die Motive der drei Goldmünzen für die Jahre 2020–2022 und folgte damit der Empfehlung des Preisgerichts. In
einer Pressemitteilung zum Kabinettsbeschluss heißt es wörtlich: „Mit dieser Serie wird die im Jahr 2002 begonnene erfolgreiche Ausgabe von deutschen 100-Euro-Goldmünzen mit einer thematischen Neuorientierung fortgesetzt.“ Und weiter: „Die neue Sammlermünzenserie stellt mit dem Dreiklang Einigkeit und Recht und Freiheit eine verfassungsrechtliche Programmatik in den Fokus. Die Begriffe, die aus dem 19. Jahrhundert stammen, bringen Kernelemente der Verfassungsstaatlichkeit, wie sie das Grundgesetz seit 1949 aufrichtet, zum Ausdruck. In der deutschen Nationalhymne werden die Begriffe an zentraler Stelle verwendet. Sie stehen für unsere deutsche Identität in demokratischer Tradition. Einigkeit und Recht und Freiheit – die damit verbundene Symbolik soll gerade für die positive Erzählung deutscher Demokratiegeschichte besetzt und gesichert werden. Durch die Ausgabe der Goldmünzenserie werden die zukunftsweisenden Linien der deutschen Verfassungsentwicklung der letzten 200 Jahre sowie elementare Werte der Europäischen Union nachgezeichnet und in zeitgemäßer Gestaltung angemessen gewürdigt.“

Die Bildseiten wurden von dem Designer Bastian Prillwitz aus Berlin gestaltet, der auch schon die 100-Euro-Goldmünzen der Jahre 2017 „500 Jahre Reformation/Luthergedenkstätten“ und 2018 „Schlösser Augustusburg und Falkenlust in Brühl“ geschaffen hatte. Er war einer von fünf Künstlern, die zu dem Wettbewerb eingeladen waren und die zur Aufgabe bekommen hatten, gleich alle drei Motive in Gips zu modellieren, damit die geplante Kurzserie später wie aus einem Guss erscheint.
Eine weitere Vorgabe war unter anderem, dass die drei Leitbegriffe durch Gebäudeansichten visualisiert werden sollten: „Einigkeit“ durch die Frankfurter Paulskirche, „Recht“ durch das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe und „Freiheit“ durch das Brandenburger Tor in Berlin.

Einigkeit (2020): Frankfurter Paulskirche

Starten wird das goldene Dreigestirn am 1. Oktober 2020 mit dem Motiv „Einigkeit“ – pünktlich zum 30. Jahrestag der Deutschen Ein-heit. Allerdings würdigt die Münze nicht direkt dieses bedeutendste Ereignis der deutschen Nachkriegsgeschichte, sondern geht weiter zurück in die Mitte des 19. Jahrhunderts, als das deutsche Volk schon einmal seinen Wunsch nach Einigkeit artikulierte.

Politische Unzufriedenheit, Massenarbeitslosigkeit und Wirtschaftskrisen hatten seit Beginn der 1840er-Jahre die soziale und politische Ordnung in verschiedenen
europäischen Staaten destabilisiert und mündeten schließlich in eine Revolution. Auch in Deutschland wurden Grund- und Freiheitsrechte sowie eine nationale Einheit eingefordert. Unter dem großen öffentlichen Druck gaben die Machthaber der deutschen Einzelstaaten schließlich nach und stimmten der Einberufung einer Nationalversammlung zu, die die Errichtung eines deutschen Nationalstaats in die Wege leiten sollte. Die Mitglieder des ersten gesamtdeutschen Parlaments versammelten sich zu ihrer konstituierenden Sitzung am 18. Mai 1848 in der Frankfurter Paulskirche. Wie kein anderer Ort symbolisiert das ehemalige Gotteshaus bis heute das Streben der Deutschen nach nationaler Einheit in demokratischer Freiheit.

Die bloße Darstellung des klassizistischen Rundbaus auf der Münze hätte jedoch sicher bei dem einen oder anderen historisch nicht so bewanderten Betrachter Fragen nach der Bedeutung aufgeworfen. Der Gestalter Bastian Prillwitz entschloss sich deshalb dazu, in der ganzen Serie jeweils links und rechts neben der zentralen Architekturdarstellung Szenerien anzuordnen, die den aufgeprägten Leitbegriff zusätzlich versinnbildlichen. Beim Thema „Einigkeit“ und der Frankfurter Paulskirche sind das Bilder von Barrikadenkämpfern im März 1848 und Abgeordneten der Nationalversammlung. Diese ergänzende Symbolik und die gekonnte Umsetzung überzeugten das Preisgericht, das die Arbeit von Prillwitz einstimmig auf Platz 1 wählte.

Recht (2021): Bundesverfassungsgericht

Für die Rechtsstaatlichkeit in Deutschland steht das Bundesverfassungsgericht mit Sitz in Karlsruhe. Es ist das höchste deutsche Gericht, dessen Richterinnen und Richter je zur Hälfte von Bundestag und Bundesrat auf zwölf Jahre gewählt werden. Das Bundesverfassungsgericht wacht darüber, dass Parlamente, Regierungen und Gerichte in Deutschland das Grundgesetz einhalten. 1951 nahm es seine Tätigkeit im Prinz-Max-Palais in Karlsruhe auf. Als sich das in den 1880er-Jahren errichtete Gebäude als zu klein erwies, begannen 1965 die Bauarbeiten für das neue Gebäudeensemble im Karlsruher Schlossbezirk. Entworfen wurde es von dem Berliner Architekten Paul Baumgarten, der mit der offenen Bauweise demokratische Transparenz ausdrücken und seinen Bau von den Justizpalästen im Stil des 19. Jahrhunderts abheben wollte.
Der Münzentwurf zeigt einen Ausschnitt der Fassade des 60er-Jahre-Baus mit ihren großen Glasflächen, die den Blick ins Innere des höchsten deutschen Gerichts freigeben. Flankiert wird die moderne Architekturdarstellung durch Richter in ihren im Original scharlachroten Roben, die sie bei Urteilsverkündung oder mündlichen Verhandlungen anlegen. Jeder kennt diese Bilder aus dem Fernsehen, wenn einmal wieder höchstrichterliche Entscheidungen im Fokus stehen. Das Relief rechts oben zeigt den berühmten, mehrere hundert Kilo schweren Bundesadler aus Holz des Bildhauers Hans Kindermann von 1969.

Freiheit (2022): Brandenburger Tor

„Das Brandenburger Tor war einst das Symbol der Teilung, aber auch das Symbol des Strebens nach Einheit und ist jetzt das Symbol der Freiheit in der ganzen Welt.“ Diese Worte des Bundestagspräsidenten und früheren Finanzministers Wolfgang Schäuble charakterisieren eindrücklich das vielleicht bekannteste Wahrzeichen Deutschlands. Es steht für den Wert, der die notwendige Voraussetzung für Demokratie ist: die grundrechtliche Freiheit des Einzelnen. Das Ende des 18. Jahrhunderts erbaute Brandenburger Tor zählt zu den größten und schönsten Schöpfungen des deutschen Klassizismus. Es entstand unter König Friedrich Wilhelm II. nach einem Entwurf von Carl Gotthard Langhans, der sich an den Propyläen der Athener Akropolis orientierte. Im Jahr 1793 wurde die von Johann Gottfried Schadow geschaffene Quadriga auf das Tor gesetzt. Die Münze präsentiert das Symbol der Freiheit in Berlin als Ausschnitt und Mittelteil eines Triptychons, dessen beiden äußere Elemente Szenen der friedlichen Revolution in der DDR und des Mauerfalls am 9. November 1989 zeigen.

Die Wertseite, die bei allen Münzen der Serie identisch ist, stammt von dem Künstler Andre Witting aus Berlin. Sie zeigt mittig einen Bundesadler, den Schriftzug „BUNDESREPUBLIK DEUTSCHLAND“, Wertziffer und Wertbezeichnung, das Ausgabejahr, die zwölf Europasterne sowie – je nach Prägestätte – das Münzzeichen.

Spezifikationen: Einigkeit, Recht, Freiheit (Serie „Säulen der Demokratie“), 2020–2022, 100 Euro, Au 999,9/1000, Stempelglanz, ø 28 mm, 15,55 g (1/2 Unze), Riffelrand, Prägestätten A, D, F, G, J. Die Auflagen werden noch bekannt gegeben.

 


Vollständiger Artikel im DEUTSCHEN MÜNZEN MAGAZIN März/April 2020.

 

Weil es sich um eine geschlossene Dreier-Serie handelt, wurden die Künstler im Gestaltungswettbewerb aufgefordert, gleich die Entwürfe für alle Ausgaben einzureichen. Der Berliner Designer Bastian Prillwitz machte schließlich bei den Bildseiten das Rennen, die Wertseite stammt von Andre Witting, ebenfalls aus Berlin.


Gebäude stehen symbolhaft für die drei Leitthemen der Münzen: Frankfurter Paulskirche (Einigkeit), Bundesverfassungsgericht (Recht) und Brandenburger Tor (Freiheit). Szenen mit Personen versinnbildlichen das Thema zusätzlich.

© DEUTSCHES MÜNZEN MAGAZIN - Alle Rechte vorbehalten