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alte und neue Numismatik

Interview mit Münzreferats-Chefin Ulrike Bohm

„Der deutsche Münzmarkt gehört nach wie vor zur 1. Liga“

Ministerialrätin Ulrike Bohm, Leiterin des Münzreferats im Bundesministerium der Finanzen, erläutert im Interview mit dem DEUTSCHEN MÜNZEN MAGAZIN innovative Strategien, die den deutschen Münzmarkt weiter beleben und zur Förderung künftiger Sammlergenerationen beitragen sollen.

Deutsches Münzen Magazin: Seit fast neun Jahren leiten Sie nun schon das Münzreferat im Bundesministerium der Finanzen. In dieser Zeit haben Sie der Sammlermünzen-Politik der Bundesrepublik Deutschland wahrscheinlich mehr Impulse gegeben als jeder Ihrer Vorgänger. Sie haben das Ausgabeprogramm erheblich ausgeweitet und zahlreiche Neuerungen wie Polymerring- oder Farbmünzen und jetzt die „Weihnachtsmünze“ in Feinsilber-Tellerprägung eingeführt. Die gesamte Organisationsstruktur bei Marketing und Vertrieb wurde umgekrempelt und erstmals gibt es in Deutschland auch eine größer angelegte Werbekampagne für das Hobby Münzensammeln: „#Was UnsPrägt“. Wie hat sich das aus Ihrer Sicht auf den Sammlermarkt ausgewirkt? Konnten damit neue, auch jüngere Bevölkerungskreise angesprochen werden?

Ministerialrätin Ulrike Bohm: Vielen Dank für die Lorbeeren, die ich gerne an die beteiligten „Mitspieler“ weitergebe. Denn, hier ist es wie beim Mannschaftssport: Trainer schießen keine Tore! Erfolg stellt sich erst dann ein, wenn Motivation, Kompetenz und Leistungsbereitschaft aller Beteiligten eine Sache voranbringen. Das war besonders in den letzten Jahren der Fall. Insofern gilt das Lob neben der Münzmannschaft im Bundesfinanzministerium und bei der Bundesbank dem Team im Bundesverwaltungsamt und den fünf Münzprägebetrieben in Deutschland.
Als Herausgeber der deutschen Gedenkmünzen strengen wir uns jedes Jahr mächtig an, den Sammlerinnen und Sammlern ein attraktives Programm zu bieten.
Die Entwicklung des Ausgabeprogramms ist ein ständiger Prozess, bei dem wir thematisch den Zeitgeist einfangen wollen und technische Verbesserungen, wie neue Materialien oder neue Prägetechniken, ausprobieren. In den vergangenen Jahren ist auf diesem Weg vieles erreicht worden. Natürlich war die Ausgabe der 5-Euro-Münze „Planet Erde“ im Jahr 2016 dabei ein besonderer Höhepunkt. Die weltweit erste Drei-Komponenten-Münze mit Polymerring hat zweifellos dazu beigetragen, dass das Thema Münzsammeln in den Fokus der Öffentlichkeit gerückt ist. Dieses Interesse gilt es auszubauen.
Neben attraktiven Produkten bedarf es hierzu effizienter Marketing- und Vertriebsstrukturen. Mit der Einführung der Marke „Münze Deutschland“ haben wir Anfang 2020 einen wichtigen Schritt getan. Gerade bei den Jüngeren sind ein frisches Erscheinungsbild und eine zeitgemäße Online-Präsenz besonders wichtig, um sie zu erreichen. Dass dieser Ansatz Erfolg haben kann, hat die Kampagne #WasUnsPrägt bewiesen, bei der sich vor allem junge Leute beworben haben, das „Gesicht der Münze Deutschland“ zu werden.
Das Interesse an den deutschen Münzen ist allerdings generell groß und der deutsche Münzmarkt gehört auch im internationalen Maßstab nach wie vor zur 1. Liga.

DMM: Bei unserem letzten Interview vor zweieinhalb Jahren ging es unter anderem um die erste 10-Euro-Münze mit Polymerring. Heute ist die dreiteilige Serie „Luft bewegt“ bereits wieder abgeschlossen. Aber sie wird mit dem neuen Thema „Im Dienst der Gesellschaft“ ab 2022 fortgesetzt. Ist dieses Motto der Corona-Krise geschuldet, sollen damit die „Held(inn)en des Alltags“ numismatisch gewürdigt werden?

Bohm: Die deutschen Sammlermünzen sind Ausdruck des historischen, kulturellen und gesellschaftspolitischen Selbstverständnisses unseres Landes. Die Serie „Im Dienst der Gesellschaft“ stellt die besondere Bedeutung von Berufsgruppen in den Fokus, die für das Funktionieren unserer Gesellschaft und das Leben jedes Einzelnen unverzichtbar sind. Wir hatten das Thema bereits 2019 ins Auge gefasst, denn unabhängig von der Pandemie leisten die Beschäftigten in diesen Berufen Großartiges. Durch die Coronavirus-Pandemie sind sie verstärkt in den Blickpunkt der Öffentlichkeit gerückt, da die Relevanz ihrer Tätigkeit für uns alle besonders sichtbar wurde. Die im Jahr 2022 beginnende Serie ist Ausdruck des Respekts und der Wertschätzung dieser stets im Interesse des Gemeinwohls Handelnden.

DMM: Wird es dabei wieder verschiedenfarbige Metallkomponenten mit transparenten Ringen geben oder diesmal farbige Ringe, wie bei „Klimazonen der Erde“?

Bohm: Die Münzen der neuen 10-Euro-Serie erhalten einen farbigen Ring. Die Polymerringe werden sich an den charakteristischen Farben der jeweiligen Berufsgruppe orientieren.

DMM: Die Erfolgsserie der 5-Euro-Polymerring-Münzen mit dem schon legendären Pionier „Blauer Planet Erde“ wird 2022 von einer 5-Euro-Serie mit „attraktivem Farbdruck“, wie es heißt, abgelöst. Warum diese neue Spezifikation?

Bohm: Eine Serie mit Farbdruck gab es in der Bundesrepublik Deutschland bislang noch nicht, jetzt ist es an der Zeit.
Das Thema „Wunderwelt Insekten“ eignet sich dabei ganz besonders für die farbliche Ausgestaltung. Mit den farbenfrohen Insektenmotiven wollen wir insbesondere Kinder und Jugendliche ansprechen. Diese Münzen sind aber auch aufgrund des Kaufpreises ein ideales Geschenk für Geburtstage und andere Anlässe.
Gerade an dieser Stelle möchte ich erneut auf einen wichtigen Aspekt des Kleinods „Münze“ aufmerksam machen: Jede Münze ist ein kleines Kunstwerk. Im Wettbewerb unter Bildhauern und Grafikern entwickelt und in höchster technischer Qualität ausgeprägt. Also, große Qualität für kleines Geld.

DMM: Werden dabei nur Reliefs koloriert oder (auch) der flache Münzgrund „fotorealistisch“ bedruckt?

Bohm: Bei der neuen 5-Euro-Serie sind auch Motive mit Farbverläufen vorstellbar. Den Künstlerinnen und Künstlern eröffnen sich hier völlig neue Gestaltungsmöglichkeiten. Ich bin jetzt schon gespannt auf die Entwürfe, die eingereicht werden.

DMM: Kommen hier neue Techniken zum Einsatz – nicht mehr (nur) der bislang bei den 20-Euro-Gedenkmünzen verwendete Tampon-Druck, und ist geplant, diese Münzen in allen fünf Münzstätten (A, D, F, G, J) fertigen zu lassen?

Bohm: Es werden neue Techniken eingesetzt, die auch von unterschiedlichen Prägestätten angewendet werden. Zum jetzigen Zeitpunkt können wir leider noch nicht mehr verraten.

DMM: Stehen mittlerweile schon die einzelnen Motive im Rahmen des geplanten Themas „Wunderwelt Insekten“ fest?

Bohm: Zum Serienauftakt erscheint Ende 2022 mit der Ausgabe „Insektenreich“ eine Münze mit einem übergreifenden Motiv zum Thema. Vierteljährlich soll dann je eine Münze zu einem bestimmten Insekt folgen. Die Auswahl der Tiere erfolgt in enger Abstimmung mit Expertinnen und Experten auf dem Fachgebiet der Insektenkunde. Denn neben der Realisierbarkeit haben wir inhaltlich den Anspruch, die Motivthemen auch unter wissenschaftlichen Aspekten sorgfältig auszuwählen. Welche Insekten wir letztlich realisieren, wird spätestens zum Serienstart im Herbst 2022 bekannt gegeben.

DMM: 2022 endet mit der 2-Euro-Reihe „Bundesländer“ die bisher längste Münzenserie Deutschlands nach 17 Ausgaben. Gibt es ab 2023 ein Nachfolgeprogramm und wenn ja, zu welchem Thema?

Bohm: Die 17 Motive der Bundesländer-Serie reichten nicht ansatzweise aus, um den vielen besonderen Orten in unserem Land ein Podium zu geben. Die 2-Euro-Münzen sind ja gesetzliches Zahlungsmittel im ganzen Euroraum und tagtäglich unter mehreren hundert Millionen
Europäern im Umlauf. Wir haben uns daher entschieden, die numismatische Reise durch die Bundesrepublik fortzusetzen und ab dem Jahr 2023 mit einer neuen 2-Euro-Serie die regionalen Besonderheiten der Länder in ihrer ganz spezifischen, wiedererkennbaren Ausprägung hervorzuheben. Dabei erfolgt die Auswahl der Motive, wie bei der aktuellen Serie, von den jeweiligen Ländern selbst.

DMM: Auch die Goldmünzenprogramme zu 50 und 100 Euro laufen nächstes Jahr aus. Sollen beide mit neuen Themen 2023 fortgesetzt werden?

Bohm: Die 50- und 100-Euro-Goldmünzen gehören zum Premiumsegment der Münzkollektion der Münze Deutschland. Deshalb werden wir auch im Jahr 2023 Goldmünzen mit beiden Nominalen zu neuen Themen ausgeben. Besonders in der aktuellen Pandemie und den zahlreichen digitalen Strömungen ist das Interesse an solch greifbaren echten Werten deutlich spürbar.
Herr Erzinger, ich danke Ihnen für die interessanten Fragestellungen.

DMM: Wir danken Ihnen, dass Sie sich Zeit für dieses ausführliche Interview genommen haben.


Vollständiger Artikel im DEUTSCHEN MÜNZEN MAGAZIN Mai/Juni 2021.

Interviewpartnerin Ulrike Bohm.

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