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Kaiserproklamation von Versailles im Januar 1871

150 Jahre Deutsches Kaiserreich

Vor genau 150 Jahren, am 18. Januar 1871, war es so weit: Im Spiegelsaal zu Versailles proklamierte die deutsche Fürstenversammlung den Preußenkönig Wilhelm zum ersten Kaiser eines neuen, vereinten deutschen Reichs – mit bedeutenden Folgen für die Welt-, Wirtschafts- und Währungsgeschichte.

Das Datum ebenso wie der Ort waren mit Bedacht gewählt. Zum einen erinnerte der 18. Januar an die Gründung Preußens. 1701, also genau 170 Jahre zuvor, war an diesem Tag Friedrich I. zum ersten preußischen König gekrönt worden. Zum anderen waren die französische Hauptstadt und das Palastschloss von Versailles zu dieser Zeit Sitz des Hauptquartiers der deutschen Armeen in der Endphase des Deutsch-Französischen Kriegs von 1870/71. Ausgerechnet hier, im prachtvollen Spiegelsaal von Versailles, den deutschen Kaiser auszurufen, sollte die Stellung des deutschen Reichs als europäische Großmacht unterstreichen. Gleichzeitig war es eine bewusste Demütigung des im Krieg unterlegenen Frankreichs. Die französische Revanche erfolgte nach dem Ersten Weltkrieg im Juni 1919, als das Deutsche Reich an gleicher Stelle den Versailler Friedensvertrag unterzeichnen musste, der unter anderem die Rückgabe des 1871 eingegliederten Reichslandes Elsass-Lothringen beinhaltete.

Gottesdienst und Proklamation

Am 18. Januar 1871 marschierten deutsche Truppen in Paradeuniform hinter Musikzügen rings um das Schloss Versailles auf. In der Mitte des Spiegelsaals stand ein Feld-Altar, wo Militärgeistliche einen Gottesdienst zelebrierten, zu dessen Abschluss alle Anwesenden das Lied „Nun danket alle Gott“ sangen. Am Ende der Galerie erhob sich ein Podest, auf dem Wilhelm I. und die Bundesfürsten Aufstellung genommen hatten, als Reichskanzler Otto von Bismarck die Proklamation verlas: „Wir übernehmen die kaiserliche Würde in dem Bewusstsein der Pflicht, in deutscher Treue die Rechte des Reiches und seiner Glieder zu schützen, den Frieden zu wahren, die Unabhängigkeit Deutschlands, gestützt auf die geeinte Kraft seines Volkes, zu verteidigen (…) Uns aber und unseren Nachfolgern an der Kaiserkrone wolle Gott verleihen, allezeit Mehrer des Deutschen Reiches zu sein, nicht an kriegerischen Eroberungen, sondern an Gütern und Gaben des Friedens auf dem Gebiete nationaler Wohlfahrt, Freiheit und Ordnung.“

Ein Hoch auf den Kaiser

Daraufhin brachte der Großherzog von Baden einen Hochruf auf „Seine Majestät, Kaiser Wilhelm“ aus, den die übrigen Anwesenden dreimal erwiderten, während sich die Hurra-Rufe der aufgestellten Truppen vor dem Palast fortsetzten. Der Ausdruck „Kaiser Wilhelm“ vermied den genauen, verfassungsgemäßen Titel „Deutscher Kaiser“, mit dem sich Wilhelm zunächst nicht anfreunden konnte. Er wollte lieber „Kaiser von Deutschland“ sein, was jedoch Hoheits- oder gar Gebietsansprüche implizierte. Da Bismarck das noch fragile Bündnis der eingebundenen Staaten auf keinen Fall gefährden wollte, schickte er den diplomatischen Badener vor. Insbesondere das Großherzogtum Hessen sowie die Königreiche Württemberg und Bayern standen der Reichsgründung als „kleindeutscher Lösung“, also ohne Österreich, anfangs kritisch gegenüber. Sie konnten nur durch Zugeständnisse von Privilegien wie beispielsweise eigenes Militär, Polizei-, Post- und Eisenbahnwesen zur Unterzeichnung des von Bismarck lancierten Kaiserbriefs bewegt werden. Im Falle Bayerns ging es auch um handfeste Zahlungen an König Ludwig II., der aufgrund seiner ausschweifenden Schlösser-Baulust auf einem immensen Schuldenberg saß.

Faktisch bestand das Deutsche Reich bereits seit dem Neujahrstag 1871 durch die Namensgebung und durch die vom Vorläufer „Norddeutscher Bund“ übernommene und angepasste Verfassung. Die im Januar inszenierte Proklamation des Kaiserreichs in Versailles als Zeremonie, heute würde man vielleicht PR-Veranstaltung sagen, verfehlte jedoch ihre Wirkung nicht. Dem Königreich Preußen war es gelungen, mit den Mitteln einer aggressiven Außenpolitik sowie mit viel Geduld, Überredungskunst und Diplomatie einen deutschen Nationalstaat auf den Weg zu bringen, der von allen Mitgliedsstaaten getragen wurde.

Einheitliche Dezimal-Mark erleichtert den Handel

Eine der größten Errungenschaften des neuen Kaiserreichs war die Einführung der deutschen Reichsmark als einheitliche Währung. So konnte das bis dato herrschende Münzenwirrwarr der deutschen Kleinstaaterei abgelöst werden. Die moderne Dezimal-Mark zu hundert Pfennigen ersetzte im Kaiserreich die bisherigen Regionalausgaben der Königreiche, Fürstentümer und Stadtstaaten und erleichterte den Zahlungsverkehr maßgeblich. Im Binnenhandel konnte man nun grenzüberschreitend mit den gleichen Münzen bezahlen, wobei – wie im heutigen Euro-Zeitalter – die regionale Vielfalt größtenteils erhalten blieb. Es waren nur die kleinen Kursmünzen bis zu einer Mark beidseitig einheitlich, während die Silber- und Goldmünzen auf den Vorderseiten die Porträts ihrer jeweiligen Landesherrscher beziehungsweise die Wappen der Stadtstaaten trugen.

Begehrte Münzen, knappe Auflagen

Die Münzen des Deutschen Kaiserreichs sind nicht nur aufgrund interessanter Motive begehrte Sammlerstücke, sie stellen auch eine nachhaltige Wertanlage dar. So wie es Franz-Friedrich Prinz von Preußen, der Urenkel des letzten deutschen Kaisers Wilhelm II., im Interview mit dem Deutschen Münzen Magazin (3/2020) geschildert hat: „Viele der Münzen sind heute meist nur schwer zu finden. Denn ein Großteil wurde bereits während der Kaiserzeit eingeschmolzen, um die Rüstung zu finanzieren. In den Wirren der beiden Weltkriege gingen dann noch einmal bis zu 90 Prozent verloren. In sammelwürdiger Qualität sind deshalb nur noch wenige Goldmünzen des Deutschen Kaiserreichs erhalten, egal wie hoch die Ursprungsauflage einmal gewesen sein mag. Und die sind natürlich entsprechend begehrt und wertvoll.“

Die erste Gold- und Silbermünze

Als eine solche Rarität darf die allererste Reichsmark-Münze des Kaiserreichs gelten, die noch im Gründungsjahr 1871 von der Führungsmacht Preußen herausgegeben wurde. Bei dem Pionier handelt es sich um ein 20-Mark-Goldstück (900/1000, 22,5 mm, 7,9 g), das höchste Münznominal im Kaiserreich – wobei in den beiden Anfangsjahren die Währungsbezeichnung noch abgekürzt mit „M.“ für Mark unter dem Reichsadler auf der Wertseite aufgeprägt war. Die Bildseite dieses besonderen Goldzwanzigers trägt ein Porträt des ersten deutschen Kaisers Wilhelm I. Ihm folgte – ebenfalls mit dem Reichsadler – das erste Markstück der deutschen Geschichte in Silber (900/1000, 24 mm, 5,5 g). Die Wertangabe „1 Mark“, hier umkränzt von zwei Eichenzweigen, sollte die Deutschen von 1873 bis zur Gedenkausgabe der einzigen 1-Mark-Goldmünze kurz vor der Euro-Einführung im Jahr 2002 begleiten – in unterschiedlicher Gestaltung, jedoch stets von Eichenlaub flankiert.

 

Im Dreikaiserjahr 1888 gab es von allen drei deutschen Kaisern 20-Mark-Goldmünzen.

 

Preußens goldenes Dutzend

Preußens 20-Mark-Goldstück ist nicht nur als Pionier-Münze des Kaiserreichs interessant, sondern auch als Zeitzeuge eines besonders schicksalhaften Jahres: 1888 ging mit dem Tod von Wilhelm I., der nur 99 Tage währenden Herrschaft seines schwer an Kehlkopfkrebs erkrankten Sohnes Kaiser Friedrich III. sowie der darauffolgenden Inthronisation seines Enkels Wilhelm II. als „Dreikaiserjahr“ in die Geschichte ein. Das einzige Münznominal, das es mit der Jahreszahl 1888 von allen drei Monarchen gibt, ist das 20-Mark-Stück. Insgesamt gab Preußen ein ganzes Dutzend Goldmünzen heraus, darunter neben den 10-Mark-Stücken auch die raren 5-Mark-Goldmünzen.

Silbergedenkmünzen des Kaiserreichs

Nach seinem Amtsantritt 1888 setzte Wilhelm II. zwei numismatische Änderungen durch. Zunächst ließ er auf den Wappenseiten zur Betonung der deutschen Reichseinheit den Hohenzollernschild Preußens zugunsten des Reichsadlers verkleinern. Aus Sammlersicht noch wichtiger ist die unter ihm initiierte Prägung von Gedenkmünzen, die – abweichend von der Norm – auch zu einem bestimmten Ausgabeanlass individuell gestaltet werden durften. Damit war der Grundstein gelegt für die ausschließlich in 2, 3 und 5 Mark Silber geprägte Gedenkmünzen-Kollektion des Kaiserreichs. So trägt das 3-Mark-Stück das Jubiläumsporträt Kaiser Wilhelms II. mit Gardeuniform, welches 1913 erstmals zum 25-jährigen Amtsjubiläum erschienen ist. Damit ist Wilhelm II. als einziger Kaiser mit zwei unterschiedlichen Darstellungen auf Preußens Reichsmark-Münzen in Silber und Gold vertreten.

Der letzte deutsche Kaiser war es auch, der aufgrund seines ausgeprägten Geschichtsbewusstseins die meisten Silber-Gedenkmünzen prägen ließ. So zum Beispiel 1901 zum 200-jährigen Bestehen Preußens mit einem Doppelporträt des ersten preußischen Königs Friedrich I. und des Münzherrn Wilhelm II. Das hier gezeigte 2-Mark-Stück hat einen Durchmesser von 28 Millimetern und ein Raugewicht von 11,11 Gramm. Der Feingehalt beträgt ebenfalls 900/1000. Auch die nächsten zwei Ausgaben mit einem Nennwert zu drei Mark folgen dem Prinzip der Doppelporträts. Hier steht der zusätzlich zum Kaiser abgebildete König Friedrich Wilhelm III. als Gründungsstifter für die Universitäten Berlin und Breslau, die ihr 100-jähriges Jubiläum feierten.

Herrscherporträts der Königreiche

Doch natürlich brachten auch die anderen Staaten interessante Münzmotive heraus. So begannen die Königreiche Bayern, Sachsen und Württemberg alle 1872 in ihren eigenen Münzprägestätten München (D), Dresden (E) und Stuttgart (F) mit der Prägung ihrer Münzen standesgemäß mit den Porträts der jeweiligen Herrscher, die gemäß der Thronfolge bis 1914 durchaus auch wechselten. Zudem gab Sachsen neben den „normalen“ Silbermünzen auch eine „Denkmünze 1. Klasse“ aus Feinsilber („800 Jahre Haus Wettin“) heraus, Württemberg ein 5-Mark-Stück zur Silbernen Hochzeit von König Wilhelm II. und Königin Charlotte. Wobei auch die 5-Mark-Münze mit dem Einzelporträt des Königs zu den Raritäten gehört.

Seltene Silberausgaben

Zu den seltenen Münzen gehören heute vor allem auch die Ausgaben der kleineren Reichsstaaten, die gemäß ihres Bevölkerungsschlüssels von Haus aus weniger Münzen prägen ließen. Dazu gehörten sicherlich die 2-Mark-Stücke der Fürstentümer Oldenburg (1891, 100.000 Stück) und Schwarzburg-Sondershausen (1896, 50.190 Stück) jeweils mit großem Reichsadler. Beide haben ein Gewicht von 11,1 Gramm bei einem Durchmesser von 28 Millimetern.

In einer Auflage von lediglich 1700 Exemplaren geprägt, zählt das 3-Mark-Stück in 900er Silber (16,7 g, 33 mm) aus dem Herzogtum Braunschweig zu den Top-Raritäten des Deutschen Kaiserreichs. Die Gedenkmünze ehrt mit einem Doppelporträt die Hochzeit von Ernst August, Herzog zu Braunschweig, mit Viktoria Luise, der einzigen Tochter des preußischen Königs und Deutschen Kaisers Wilhelms II. Zwei noch seltenere 3-Mark-Kaiserreichmünzen der gleichen Spezifikation wurden in Kleinstauflagen von nur jeweils 100 Stück geprägt: Das erste 1917 in der Münze Muldenhütten nahe der sächsischen Silberstadt Freiberg – zum 400. Jubiläum der Reformation und zu Ehren von Friedrich II. von Sachsen, besser bekannt als Friedrich der Weise. Die zweite 3-Mark-Rarität wurde 1918 im Bayerischen Hauptmünzamt geprägt und widmet sich mit einem Doppelporträt dem 50-jährigen Hochzeitsjubiläum des bayerischen Königs Ludwigs III. und seiner Gemahlin Marie Therese. Aus der 1868 geschlossenen Ehe des letzten Königs von Bayern mit der ehemaligen österreichischen Erzherzogin gingen 13 Kinder hervor.

Werthaltige Kaiserreich-Sammlung

Für die Goldmünzen konnten bei Auktionen Erlöse im unteren bis mittleren fünfstelligen Bereich erzielt werden, die beschriebenen Silber-Raritäten werden zu Preisen im zwei- bis vierstelligen Euro-Bereich gehandelt. Die Spannweiten sind groß, da es bei der Wertermittlung auch sehr auf den Erhaltungsgrad ankommt. Doch ob es nun „sehr schön“, „vorzüglich“ oder „Stempelglanz“ heißt – die Sammler gewinnen immer. Denn sämtliche Münzen des Deutschen Kaiserreichs gehören nicht nur zu den werthaltigsten, sondern auch zu den interessantesten Sammelobjekten. Hinter jeder einzelnen Münze steht eine faszinierende Geschichte.


Vollständiger Artikel mit vielen weiteren Abbildungen im DEUTSCHEN MÜNZEN MAGAZIN Januar/Februar 2021.

 


Die Reichsmark wurde 1871 zur einheitlichen Währung in Deutschland. Heute sind einige der 2- und 3-Mark-Silbermünzen des Deutschen Kaiserreichs gesuchte Sammlerstücke.

Neben der Hegemonialmacht Preußen gab es im Kaiserreich noch drei weitere Königreiche, die ihre Monarchen auf Goldmünzen abbildeten: Bayern, Sachsen und Württemberg.

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