Internationale Fachzeitschrift für
alte und neue Numismatik

Editorial September/Oktober 2022

Inflationsangst treibt den Goldpreis

100 Jahre ist es jetzt her, dass die wohl radikalste Geldentwertung in der Geschichte einer Industrienation ihrem Höhepunkt entgegentrieb. Im Oktober 1922 wies die Mark nur noch ein Tausendstel ihres Werts vom August 1914 auf. Mit der Einführung der Rentenmark im November 1923 fand die Hyperinflation ein Jahr später ihr Ende. Zwölf Nullen auf den Geldscheinen wurden gestrichen, der neue Wechselkurs mit 1:1 Billion festgesetzt. Mit Milliarden-Nennwerten überdruckte Reichsmarkscheine oder Notmünzen mit Nominalwerten bis zu einer Billion sind numismatische Zeitzeugen dieser Epoche.

Durch die Inflation waren nach und nach die Ersparnisse der Bürger aufgezehrt worden. Wer jedoch Sachwerte besaß, war fein heraus. Immobilieneigentümer zum Beispiel, deren Hypotheken durch die Inflation faktisch vollständig entschuldet wurden, während die Häuser und Grundstücke nichts an Wert einbüßten. Wer dagegen nur Barvermögen hatte, verlor alles. Gerade den Deutschen steckt die Angst vor einer Hyperinflation noch in den Knochen, auch wenn die allerwenigsten die 1920er-Jahre persönlich erlebt haben.

Hohe Reparationszahlungen an die Siegermächte des Ersten Weltkriegs waren der Auslöser für die galoppierende Inflation vor 100 Jahren. Und heute? Nach einer langen Phase der Geldwertstabilität erleben wir aktuell wieder inflationäre Tendenzen. Die unterbrochenen Lieferketten und die immensen Kosten, die durch die Corona-Pandemie verursacht wurden, treiben die Geldentwertung an. Und natürlich Putins Angriffskrieg auf die Ukraine, dem der Westen mit harten Wirtschaftssanktionen gegen Russland begegnet, was mit einer wahren Explosion der Öl- und Gaspreise und all den damit verbundenen Folgen einhergeht.

Im Juli betrug die Inflation im Euro-Raum 8,6 Prozent – so hoch wie nie seit Einführung der Gemeinschaftswährung. Erstmals seit elf Jahren reagierte die Europäische Zentralbank jetzt auf diese Entwicklung mit Zinserhöhungen. Ob und wann diese Maßnahmen Erfolge zeigen, muss abgewartet werden.

Derweil ist der Run auf Edelmetalle ungebrochen. Gold notierte im März 2022 erstmals über 2000 Euro – ein neues Allzeithoch. Auch wenn für Panikkäufe kein Anlass besteht und jeder Anleger sich darüber bewusst sein sollte, dass die Kurse auch wieder fallen werden, so ist es doch verständlich, wenn die Menschen ihr Gespartes in Sicherheit bringen wollen. Glücklich ist hier der Münzensammler, der Hobby und Geldanlage miteinander verbinden kann.

Erzinger
Wolfgang Erzinger,
Herausgeber
Deutsches Münzen Magazin

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