Nach Goethes „Faust“ kommt im Oktober 2024 ein weiteres Meisterwerk der deutschen Literatur in der gleichnamigen Goldserie zu numismatischen Ehren: „Der zerbrochne Krug“ von Heinrich von Kleist. Die Münze ist Teil der seit über zwei Jahrzehnten laufenden 100-Euro-Reihe der Bundesrepöublik Deutschland.
Die zweite Ausgabe der 2023 begonnenen achtteiligen 100-Euro-Goldmünzenreihe „Meisterwerke der deutschen Literatur“ ist dieses Jahr Heinrich von Kleists Lustspiel „Der zerbrochne Krug“ gewidmet. Wie schon bei der Erstausgabe „Faust“ von Johann Wolfgang von Goethe steht nicht der jeweilige Autor im Mittelpunkt des Münzmotivs, sondern „das literarische Werk in seiner monumentalen Bedeutung für die deutsche Kultur“, wie das Bundesfinanzministerium in einer Mitteilung so schön formuliert.
„Der zerbrochne Krug“ ist das wohl berühmteste Stück von Heinrich von Kleist und gehört zu den herausragendsten Werken deutschsprachiger Literatur, das mehrfach als Vorlage für Opern und Filme diente und an vielen weiterführenden Schulen als Pflichtlektüre gilt. In der Komödie geht es um eine Gerichtsverhandlung, bei der ein Dorfrichter über eine Tat urteilen soll, die er selbst begangen hat: Kein anderer als er war es nämlich, der nächtens den Krug der Klägerin Marthe Rull bei der Flucht aus dem Schlafgemach ihrer Tochter Eve vom Fenstersims gestoßen und zerbrochen hat. Die Art, wie Richter Adam seine Täterschaft zu verheimlichen sucht, die Zeugen bald mit Drohungen, bald mit süßen Worten beeinflusst und verwirrt, ist von hoher Komik. Er dreht und windet sich, um den Verdacht auf andere zu lenken. Ohne Erfolg – am Ende muss er die Tat eingestehen.
Inspiriert zu dem Lustspiel wurde Kleist übrigens von einem französischen Kupferstich aus dem 18. Jahrhundert mit gleichnamigem Titel („La cruche cassée“), der eine Dorfgerichts-Szene zeigt, die die Fantasie des Dichters beflügelte. Der in Frankfurt (Oder) geborene Heinrich von Kleist (1777–1811) entstammte dem pommerschen Uradel und war ein deutscher Dramatiker, Erzähler, Lyriker und Publizist. Zu seinen bekanntesten Werken zählen neben der erwähnten Komödie das Schauspiel „Das Käthchen von Heilbronn“ oder die Novelle „Michael Kohlhaas“.
Die 100-Euro-Goldmünze „Der zerbrochne Krug“ wird nach einem Entwurf des Medailleurs Bodo Broschat aus Berlin geprägt, der beim Gestaltungswettbewerb den 1. Preis bekam. Das dreigeteilte Motiv zeigt im Zentrum die Gerichtsverhandlung mit den sechs wesentlichen Figuren des Lustspiels. Auf den Seitenflügeln sind Auslöser und Ausgang der Handlung zu sehen. Der in die Brüche gegangene Krug findet sich unten, links neben der Inschrift und dem verschnörkelten Künstlermonogramm „BB“. Die Wettbewerbsjury urteilt: „Die Komposition ist wie ein Triptychon aufgebaut, das Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft des Geschehens überzeugend verdichtet. Die künstlerische Gestaltung des Entwurfs ist von außerordentlicher Qualität.“
Spezifikationen: Der zerbrochene Krug/Kleist (Serie „Meisterwerke der deutschen Literatur“), 2024, 100 Euro, Gold 999,9/1000, Stempelglanz, Ø 28 mm, 15,55 g (1/2 Unze), Riffelrand, Prägestätten A, D, F, G, J. Die Auflagen werden später bekannt gegeben.
Seit der Euro-Einführung im Jahr 2002 wurde – bis heute ohne Unterbrechung – für jedes Jahr eine neue 100-Euro-Goldmünze geprägt. Nahezu zwei Jahrzehnte lang – bis 2019 – widmete sich die Reihe fast ausschließlich den UNESCO-Welterbestätten in Deutschland. Mit zwei Ausnahmen: Zum Start der beliebten Goldserie im Jahr 2002 galt das Motiv der Euro-Einführung. Und 2005 erschien der Goldhunderter zu Ehren der Fußball-WM 2006 im eigenen Land – die auch als „Sommermärchen“ bekannt wurde.
So startete die UNESCO-Welterbe-Serie also mit der zweiten deutschen 100-Euro-Mü?nze im Jahr 2003, die sich der historischen Altstadt von Quedlinburg widmet. Es folgten Goldausgaben für Welterbe-Stätten wie Weimar, Lübeck oder Goslar. Auch die Wartburg, der Dom zu Aachen oder das Gartenreich in Dessau-Wörlitz kamen zu Ehren, um nur einige Beispiele zu nennen. Mit dem „Dom zu Speyer“ wurde im Jahr 2019 das UNESCO-Thema schließlich abgeschlossen, um Platz zu machen für neue Ideen und neue Themen.
Zum Wechsel der Motive und einer neuen Thematik hatte auch eine 2018 durchgeführte Leserumfrage des Deutschen Münzen Magazins beigetragen. Denn einer der meistgewählten Favoriten lautete: „Säulen der Demokratie – Einigkeit und Recht und Freiheit“. Und exakt dieses Sujet griff dann auch das Bundesfinanzministerium (BMF) auf und schrieb einen entsprechenden Künstlerwettbewerb für eine dreiteilige Serie aus. Dabei war eine Bedingung, die drei Leitbegriffe durch Gebäudeansichten zu visualisieren: „Einigkeit“ durch die Frankfurter Paulskirche, „Recht“ durch das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe und „Freiheit“ durch das Brandenburger Tor in Berlin. So wurde jede der „Demokratiesäulen“ durch eine 100-Euro-Goldmünze geehrt. Entworfen hatte die drei Gedenkmünzen der Berliner Designer Bastian Prillwitz, der den Gestaltungswettbewerb 2019 für sich entscheiden konnte. Mit der Vorgabe, alle drei Münzmotive vom gleichen Künstler entwickeln zu lassen, sollte vermieden werden, dass es innerhalb der Kurzserie zu stilistischen Brüchen kommt.
Mit dem Serienstart „Meisterwerke der Literatur“ und Johann Wolfgang von Goethes „Faust“ im letzten Jahr und nun Kleists „Der zerbrochne Krug“ sind die goldenen Halbunzen-Gedenkmünzen wieder in einer neuen spannenden Themenrunde. Sie könnte durch die populäre und sehr griffige Literatur-Thematik künftig vielleicht sogar noch mehr Menschen ansprechen, als es die weltweit erfolgreichste Gold-Gedenkmünzenreihe ohnehin schon tut. Dann würde die Frage der bisherigen Auflagenpolitik im Raum stehen. Denn deren Merkmal war bislang, dass die Prägemengen bis heute kontinuierlich immer weiter gesenkt wurden. Zwar wird inzwischen – im Gegensatz zu den Anfangsjahren – zumindest der Ausgabepreis im Vorfeld bekannt gegeben. Nicht jedoch die Höhe der Auflage, die zwar bereits nach Ende der offiziellen Reservierungsfrist festgelegt, aber erst viel später bekannt gegeben wird. Von den jeweiligen Prägemengen hängen jedoch maßgeblich die späteren Wertsteigerungschancen der Goldmünzen ab. Klar: Eine hohe Nachfrage bei relativ knappem Angebot lässt zwar den Wert steigen, andererseits sollten jedoch auch ausreichend Stücke verfügbar sein, um das Gros der Sammler zu bedienen. Als im Jahr 2005 die Prägemenge von 400.000 auf 350.000 Exemplare gesenkt wurde, verdoppelte sich der Wert des Fußball-Gold-Euro innerhalb von zwei Jahren. 2007 gab es mit der Gold-Halbunze für Lübeck eine weitere Auflagensenkung auf 330.000 Stück, also nur noch 66.000 Exemplare pro Münzstätte. Mit dem „Aachener Dom“ wurde 2012 von nunmehr noch 300.000 auf 270.000 Stück gekürzt, 2018 waren es nur noch 135.000 Exemplare. Inzwischen sind wir mit der 100-Euro-Goldausgabe „Freiheit“ der Demokratie-Serie bei 125.000 Exemplaren angelangt, also lediglich 25.000 pro Prägestätte. Mit dieser Ausgabepolitik will der Bund vermeiden, dass eine deutsche Goldmünze womöglich zum Ladenhüter wird, ihre streng limitierte Auflage soll stets Wertsteigerungschancen bewahren.
Das dreigeteilte Motiv von Bodo Broschat zeigt die Gerichtsverhandlung mit den sechs Protagonisten des Lustspiels "Der zerbrochne Krug".
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